Wer alles bloß des Geldes wegen tut, wird bald des Geldes wegen alles tun.
24. Wie ist das mit den Reichen?

Vielleicht gibt es zwei Gruppen Menschen, die sehr Reichen und den Rest. Ich bin irgendwie ratlos, wie ich mit dieser Zweiteilung der Menschheit umgehen soll. Menschen sind doch eigentlich alle. Und es gibt Menschen mit sehr viel Geld, die geistvoll, empathisch, – eben menschlich sind. Aber fast jede Woche gibt es irgendwelche Nachrichten, die den alten Spruch bestätigen, dass Geld den Charakter verdirbt und einen zweifeln lassen, ob alle wirklich der gleichen Spezies angehören. Und dann die Sache mit Jesus: Ich frage mich, was es eigentlich noch für einen Sinn macht, sich christlich zu nennen. Vielleicht macht es ja keinen. Aber egal, wie ich mich nenne, – wie soll ich mich zu diesem Spruch stellen: Wie schwer ist es für Menschen, die viel besitzen, in das Reich Gottes zu kommen? (Markus 10, 23)
Mir hatte es die Sprache verschlagen. Ich wusste nicht, was ich schreiben wollte und irgendwie auch nicht, ob ich das, was ich schreiben wollte, wirklich schreiben darf, also, ob es korrekt ist.
Los ging es mit diesen „Paradise Papers“. Sie erinnern sich? Gerade mal drei Wochen her, aber schon wieder im Hintergrund. Reiche und große, bekannte Firmen, – Nike, Apple, die Queen, – hallo, diese nette Queen? Die Queen!! – ein Trump-Minister – konkurrieren wie wild darum, sich legal um die Steuern zu drücken. Legal! Auch unser Staat, der mittlerweile alles überwacht und immer noch mehr überwachen will, fühlt sich hilflos! Minister Schäuble sprach im Interview mit dem NDR von einer Hydra: Wenn man einen Kopf abschlägt, wächst schon der nächste. Klassische Bildung ist nichts schlechtes, aber soll man ihm das wirklich glauben?
Ich habe mich so über diesen Apple-Konzern geärgert, dass in mir kurz der Impuls auftauchte, mein iPhone und mein MacBook in die Tonne zu treten. So ein tolles Design, und so eine miese Moral, – von der Herstellung in China mal ganz abgesehen. Sie finden das lächerlich? Ich eigentlich auch. Ich würde mir ja nur selber schaden. Aber schade ich mir denn nicht auch, wenn ich mit solchen Geiern Geschäfte mache? Und Geschäfte mache ich, wenn ich die entsprechenden Produkte kaufe. Besonders kurios: die langen Schlangen vor den Apple-Stores, wenn wieder ein unfassbar innovatives, aber eben auch besonders unbezahlbares Produkt erscheint, für das natürlich wieder entsprechend viele Steuern vermieden werden. Der verheerende Effekt auf das Gemeinwohl spielt bei so einem tollen gadget anscheinend keine Rolle.
Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich fühle mich machtlos. Ich finde, man müsste ein Zeichen setzen. Ein Zeichen dass diese Machenschaften degoutant sind, so degoutant, dass man mit dieser Art von Reichen nichts mehr zu tun haben will, dass man sie brandmarkt als Aasgeier unserer Zivilisation. Dabei ist es wahrscheinlich schon wieder politisch unkorrekt, etwas gegen „die Reichen“ zu sagen, denn es gibt ja welche, die ganz in Ordnung sind. Und kann man jemandem vorwerfen, wenn er sein Einkommen legal optimiert? Wäre die Grenze nicht vom Staat zu setzen?
Alle scheinen das, was mit dem Geld passiert, normal zu finden. Reagiere ich überzogen? Tatsache ist, dass es immer so weiter geht. „Die Vermögen der Superreichen wachsen immer schneller, während sich die Armut verfestigt. (1)“ In Deutschland!
Zwei Wochen nach den Paradise-Papers stand das in faz.net, was nicht gerade eine ultralinke Quelle ist: „Die Zahl der Superreichen mit Vermögen von mehr als 50 Millionen $ erhöhte sich in Deutschland von 500 auf 7200…“ (Ich habe dreimal nachgelesen, ob die Zahl stimmt!) „Nur in China und den Vereinigten Staaten gibt es mehr Superreiche. In Frankreich, Italien und der Schweiz sind es weniger als halb so viele.“ „Den Berechnungen zufolge sind von Mitte 2016 bis Mitte 2017 gut 237.000 Menschen in den Kreis der Dollarmillionäre aufgerückt.“
Dieses Deutschland, das die letzten Jahre von Frau Merkel und Herrn Gabriel und seiner SPD regiert wurde, gehört zum Trio infernal der Mutterländer der Ungleichheit! Gründe sind u. a. das ungleich verteilte Immobilien- und Aktienvermögen. Schon wieder die Unsicherheit: Sollte ich so etwas überhaupt schreiben oder leiste ich damit der AfD Vorschub?
A propos Aktien: während alle Welt über das Scheitern der sogenannten Jamaika-Verhandlungen verblüfft bis entsetzt ist, stieg der DAX an! Deutschland ohne starke Führung, die Wirtschaftsbosse müssten doch not amused sein? Oder könnte es ganz einfach sein, dass die Anleger klammheimlich honorieren, dass die Grünen mit ihren starken Umweltvorstellungen rausgeflogen sind? Könnte es nicht sein, dass die Agenda der Geldleute in eine andere Richtung geht als der common sense, ohne dass es überhaupt in der öffentlichen Diskussion erscheint? Wer mit Aktien handelt, hat das Gefühl, er ginge mit sauberem Geld um, weil Blut, Schweiß und Tränen auf die Aktien nicht draufgemalt sind.
Alle regen sich auf, aber das große Geld geht unbeirrt seinen Weg?
Zum Beispiel: In der reichen Hansestadt Hamburg nimmt man es seit Jahren als gegeben hin, dass in vielen ihrer ehemals und auch heute noch zu 21% städtischen Kliniken Patienten unter unhaltbaren pflegerischen, hygienischen und personellen Bedingungen behandelt werden! Man faselt vom Pflegemangel, obwohl die Verwalter genau wissen, dass sie gar keine zusätzlichen Pflegekräfte einstellen wollen. Weil es zwar schlechter für die Patienten, aber eben sehr viel lukrativer ist, wenn man mit dem Geld was cooleres macht als Krankenschwestern zu beschäftigen: „Du bist doch nur eine Krankenschwester, was willst Du denn?“ (2)
Die ZEIT bringt Interviews mit Pflegekräften (2): „Ich muss immer wieder Patienten in ihrem Stuhlgang liegen lassen. Medikamente werden vertauscht oder vergessen …“ „ Ein Patient ist sturzgefährdet, also sagt man ihm, er solle nicht allein zur Toilette gehen …. er klingelt und klingelt … dann geht er eben doch allein.“ „Im Nachtdienst arbeiten wir 10 Stunden durch, manche Kollegen trinken nicht mal was.“ … „Manchmal sitzen Kollegen heulend vor Überforderung im Aufenthaltsraum.“

Klar, dort wollen Sie nicht Patient sein. Aber mal ehrlich: Wen interessieren diese Geschichten eigentlich wirklich? Wird der Erste Bürgermeister der Hansestadt, der doch sonst fast alles im Griff hat, endlich etwas unternehmen, dass seine Bürger künftig besser behandelt werden, unter besseren Bedingungen arbeiten? Wird diese Stadt denn nicht von einer Partei regiert, der die Arbeitnehmerinteressen sehr am Herzen liegen?
Als Herkunft der Interviews steht immer wieder dass es Mitarbeiter aus dem „Konzern“ sind. Auch ein paar Male aus „kirchlichen Häusern“, was ja nun ein ganz anderes Fass aufmacht, – aber Jesus hatten wir heute schon. Am häufigsten wird der „Konzern“ erwähnt. Hat die ZEIT Angst vor Klagen? Na ja, so viele Krankenhaus-Konzerne gibt es wohl nicht in Hamburg.
Wir können ja mal abwarten, was sich tut. Ich gehe davon aus, dass der Superreiche, der mit Hamburger Krankenhäusern die großen Geschäfte macht, einfach kurz mit den Schultern zuckt und diesen Mist an sich abperlen lässt. Vielleicht plauscht er mit Udo Lindenberg in der Lobby des Hamburger Atlantic-Hotels, das er von seinen Konzerngewinnen 2014 gekauft hat. Nichts gegen Udo. Sollte er aus dem Atlantic ausziehen, bloß weil dieser Konzern-Lenker es gekauft hat? Lächerlich.
Gut, dass die ZEIT-HAMBURG diese Interviews gedruckt hat. Aber leider wird von der gleichen ZEIT so deutlich gemacht, wie es deutlicher gar nicht mehr geht, dass es auf Pflegekräfte in dieser Gesellschaft nicht mehr ankommt, dass sich die wichtigen, wohlhabenden und sehr schlauen Menschen für so kleingeistiges Zeug gar nicht interessieren:
Diese gleiche ZEIT, die vornehmste Zeitung der vornehmen Hansestadt, die liberale und sich für die Menschenrechte einsetzende ZEIT, veranstaltet mit lauter Spitzendenkern eine Tagung zur hochrelevanten Frage der Digitalisierung in der Medizin (3), – nur kurz die ganz inadäquate Meinung des Verfassers: Billige Computer ersetzen teure Menschen! – Ja mit wem wohl? Mit dem „Konzern“! Und der Konzernlenker, der Hotelkäufer darf mit auf dem Podium sitzen. Auf einen Leserbrief an die ZEIT, ob das nicht der falsche Konzern sei, der da durch die ZEIT „geadelt“ werde, meinte man, dass die Vorwürfe gegen Asklepios doch Vorverurteilungen durch den SPIEGEL gewesen wären! Eine Hamburger Zeitung über die andere Hamburger Zeitung! Dass nie eine Gegendarstellung erschienen ist, interessierte nicht.
Warum interessieren wir und unsere Mächtigen uns nicht wirklich dafür, was für Mist mit dem großen Geld gemacht wird? Auch der Landtag von Schleswig-Holstein ist völlig desinteressiert an der Frage, warum so viele Patienten auf den Gängen des landeseigenen Universitätsklinikums rumliegen, – Hauptsache das Klinikum schöpft genügend Geld aus der Medizin, um seine und die Schulden des Landes zu bedienen.

Immobilien sind ein anderer Bereich, in dem Reiche mit zu viel Geld zu viel Mist machen. Und über dessen Missstände seit Jahren geschrieben wird, zuletzt wieder mal in der SZ (4): „Rechnet man alles zusammen … sind insgesamt 860.000 Menschen ohne feste Wohnung … Wenn jährlich neue Rekord-Obdachlosenzahlen gemeldet werden, erinnert man sich daran, was eine Wohnung bedeutet. Sie ist wie Nahrung und Luft ein existenzielles Gut. Ein Garant der Menschenwürde…“ (Echt schön geschrieben! Könnte im Grundgesetz stehen!) „ …Die Preise für Wohnraum ob zur Miete oder als Eigentum, sind reiner Irrsinn. Ganz normale Menschen werden zunehmend von weiten Teilen des Marktes ausgeschlossen (Thomas Jocher) …“
Wissen wir doch, wissen wir doch schon längst, erleben wir doch selbst jeden Tag!
Ganz aktuell: „Auf dem früheren Paulaner-Gelände am Nockherberg In München entstehen Eigentumswohnungen … Eine Drei-Zimmerwohnung im vierten Stock, 87 (!) Quadratmeter, hat die Millionenmarke geknackt: … auf der November-Liste sind es 1.081.000 Euro.“ (5) Es baut die Bayerische Hausbau…

„Die Politik begreift nicht, dass man ein endliches Gut wie den Boden und ein unendlich bedeutsames existenzielles Grundbedürfnis wie das Wohnen nicht allein dem Markt überlassen darf. […] Die Politik begreift nicht. Würde die SPD in eine große Koalition diesen Mietpreis-Skandal, diese Verrohung der guten Sitten einbringen?“ (4)
Es scheint ein ungeschriebenes Gesetz zu sein, dass, wer mit Geld so richtig Schotter macht, denn Geld verdienen kann man ja in dieser Größenordnung nicht mehr sagen, a priori ehrenwert ist, mit schnellem Zugang zu den Einflussreichen (Politikern) und Mächtigen. Das „Wie“ erscheint seltsam uninteressant, entsprechend dem Ausspruch des römischen Kaisers Vespasian „non olet“ – es stinkt nicht. Er soll das gesagt haben, als man ihm vorhielt, dass er auf die öffentlichen Latrinen eine Steuer erhob.
Sie führen uns an der Nase herum, die Mächtigen und Reichen, wenn sie Steuern hinterziehen, wenn sie eine Diskussion über die Personalnot vom Zaun brechen, obwohl sie Personal doch gar nicht einstellen wollen, wenn sie Immobilien horten und sich in ihrem Aktionärsverhalten gegen die Umwelt-Trends stellen…
Und wir lassen es zu, wir alle! Die Bürger der Stadt Hamburg, des Landes Schlewig-Holstein, der BRD, wir alle!
Lets go global!
Kennen Sie Paul Singer? Mich interessierte er auch nicht, bis ich ein Buch von Jean Ziegler in die Finger bekam (6).

Singer macht Menschen kaputt. Vielleicht sollte man sagen, er ruiniert die Bürger von Staaten, die vorher schon bankrott waren. In der Regel handelt es sich dabei um Staaten aus dem Süden, wie Sambia, Sierra Leone oder Argentinien, die mehr oder weniger ohne eigenes Zutun, bzw. ohne Zutun ihrer aktuellen Regierungen in die Insolvenz geraten sind. Dürren, Missernten, oder im Fall von Argentinien ein faschistisches Regime, das dem Land neben Tausenden unbekannten Toten Unsummen an Schulden hinterlassen hat. Staatsbankrott.
In solchen Fällen werden die Gesamtschulden, die das Land nicht mehr bezahlen kann, durch Verhandlungen zwischen den internationalen Banken und dem betroffenen Land in eine Summe umgeschuldet, die bezahlbar erscheint. Auch diese Umschuldung ist für die Bürger des betroffenen Landes, die häufig an dem Bankrott keinerlei Schuld tragen, keineswegs leicht zu schultern: Reduktion der Löhne, des Lebensstandards, Steigerung der Arbeitslosigkeit etc. Aber sie sind noch nicht ruiniert.
Das passiert erst, wenn Leute wie Paul Singer ihre Aktivitäten entfalten: Trotz der international gültigen Umschuldung existieren die ursprünglichen Schuldscheine weiterhin auf dem Markt. Wegen der Umschuldung sind sie auf dem Papier kaum noch etwas wert, aber man kann sie kaufen und dann mit Hilfe geschickter Anwälte vor Gerichten, vorwiegend in den USA, um ihre Erfüllung prozessieren, – wenn man genügend Geld hat. Als nächsten Schritt kann man dann alles, was von diesen Ländern außerhalb der Landesgrenzen auftaucht, – Schiffe, Maisvoräte, Erzdepots – pfänden lassen. Durch diese Taktik gelang es einer Handvoll Superreicher, Paul Singer und Gleichgesinnten, ihr Vermögen auf schwindelerregende Höhen zu bringen. Die Bürger von Malawi, Sambia, Sierra Leone und sogar Argentinien hungern oder sterben an Hunger.
Was hat Paul Singer davon? Das ist schwer zu sagen, weil niemand weiß, was der Zuwachs solchen Reichtums in einem Menschen auslöst. Muss man sich seinen Charakter wie den von Dagobert Duck vorstellen? Doch bei Dagoberts Profil fehlt die Komponente, dass durch seine Aktivitäten andere Menschen sterben, dass Kinder kläglich an Hunger zu Grunde gehen, dass sich in diesen Ländern Anarchie und Gewalt in einer Weise breit machen, wie wir uns das im reichen Nordwesten überhaupt nicht vorstellen könnten.
Man muss davon ausgehen, dass Paul Singer all das weiß und seine Aktivitäten trotzdem fortsetzt. Was ist das für ein Mensch? Die Psychiater haben eine Antwort darauf: Wer in Kauf nimmt, dass andere Menschen leiden, zu Grunde gehen in Verzweiflung und ohne Chance auf Rettung, ist ein Psychopath, ohne jeden Zweifel.

Wie kommt es, dass Psychopathen sich so verhalten dürfen, zu Lasten unschuldiger Menschen? Wieso dürfen Gerichte in den USA so urteilen, wie oben dargestellt? Treu und Glauben entspricht das jedenfalls nicht. Wie Ziegler zeigt, liegt das daran, dass die Justiz im Westen, insbesondere in den USA, das Recht des freien Geschäftemachens über alles andere Recht stellt. Der berühmte freie Markt wird von diesen Gerichten für wichtiger gehalten als Menschenleben und Lebensqualität. Der freie Markt war einmal eine tolle Sache, eine Chance für jeden, durch eigene Tüchtigkeit reich zu werden. Die Chance gibt es heute nicht mehr, weil Geld nicht mehr durch Arbeit, sondern nur noch durch Aktienhandel, Immobilien u. ä. vermehrt werden kann, was bedeutet, dass Sie wenigstens Aktien, Häuser, Land etc. besitzen müssen, um mit dem Reichwerden anzufangen, – Tellerwaschen ist zu wenig.
Jetzt drängt sich mir schon wieder so ein politisch unkorrektes Statement auf: Der freie Markt dient heute anscheinend nur noch Psychopathen! Aber machen die denn die Gesetze? Wer macht die?
Hier gelangen Sie zur Übersicht aller bisher veröffentlichten Kapitel.
Quellen:
- 1 FAZ.NET vom 14.11.2017, Daniel Mohr: Immer mehr Millionäre in Deutschland
- 2 Die ZEIT Nr. 47, 16. November 2017, Ruth Eisenreich: Wo bleibt denn die Pflegerin?
- 3 Die ZEIT Nr. vom 12. Oktober 2017
- 4 Süddeutsche Zeitung Nr. 265, Samstag/Sonntag 18./19. November, S. 17, Gehrhard Matzig: Bodenlos
- 5 SZ.de 27. November 2017
- 6 Jean Ziegler, Der schmale Grat der Hoffnung, C. Bertelsmann Verlag, München 2017, S.30.